„Wir reden ja – aber aneinander vorbei“ – Warum Kommunikation kein Selbstläufer ist
- denisepannicke
- 24. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Nov.

Im Fokus – oder: Wenn „Ich räum gleich die Küche auf“ und „Du nimmst mich ernst“ nicht dasselbe sind
„Wir reden doch ständig!“ Diesen Satz höre ich oft in Beratungen – meistens von Paaren, die gleichzeitig das Gefühl haben, dass sie trotzdem nicht verstanden werden.
Und da sind wir mitten im Thema: Reden allein reicht nicht. Manchmal ist es sogar das Gegenteil von Verstehen – nämlich der Versuch, die eigene Botschaft so laut in den Raum zu stellen, dass für das Zuhören gar kein Platz mehr bleibt.
Systemisch betrachtet: Kommunikation ist mehr als Worte
Systemisch gesehen ist Kommunikation kein simpler Austausch von Infos à la „Bitte die Butter reichen“.Sie ist immer eingebettet in Kontexte, Bedeutungen und Beziehungsgeschichten.
Wenn also jemand sagt: „Du hilfst nie im Haushalt“, dann geht es selten um das Staubwischen.
Es geht um:
das Bedürfnis, gesehen zu werden,
das Gefühl, Verantwortung alleine zu tragen,
vielleicht sogar um die Angst, in der Beziehung weniger wert zu sein.
Mit anderen Worten: Hinter den Worten liegen oft Botschaften, die gar nicht direkt ausgesprochen werden – aber den eigentlichen Kern bilden.
Warum Paare sich so oft missverstehen
Hier ein paar Klassiker, die ich regelmäßig höre:
🔹 Zuschreibungen: „Du machst das absichtlich, um mich zu ärgern.“
In Wahrheit wollte der andere vielleicht einfach nur seine Ruhe.
🔹 Projektionen: „Du bist immer so kritisch.“
Oft hören wir in den Worten des anderen unsere eigene innere Stimme.
🔹 Alte Skripte: Manche Sätze klingen für uns nach Mutter, Vater oder Ex-Partner – egal, wie sie gemeint waren. Schon wird ein kurzer Kommentar zur Großkampferinnerung.
Systemisch heißt das: Jedes Gespräch wird durch Muster, Geschichte und Erwartungen mitgestaltet. Kein Wunder, dass wir manchmal aneinander vorbeireden.
Wenn Zuhören zum Abenteuer wird
Echtes Zuhören bedeutet:
die innere Gegenrede leise stellen,
nicht sofort Lösungen parat haben,
neugierig sein, ohne zu werten.
Klingt simpel. Ist es aber nicht. Viele Paare merken in der Beratung, dass sie seit Jahren nicht mehr wirklich zugehört haben. Sie unterbrechen, ergänzen, interpretieren – und wundern sich, dass am Ende beide enttäuscht sind.
Dabei ist Zuhören wie ein Geschenk: Es signalisiert, dass der andere Raum hat, wichtig ist und ernst genommen wird. Und dieses Gefühl ist oft wichtiger als jede schnelle Lösung.
Systemische Einladung: Kommunikation neu erleben
Es lohnt sich, Kommunikation nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten, sondern als bewusste Praxis. Das bedeutet:– dem Gegenüber den inneren Raum lassen,– auch mal aushalten, dass man selbst schweigen muss,– und die Neugier kultivieren: Was genau meint der andere eigentlich?
Manchmal verändert schon diese Haltung den gesamten Tonfall im Gespräch.
BlickWechsel- Impuls für euch: Die 3-Minuten-Zuhör-Challenge
Probiert mal Folgendes aus:
Eine Person spricht 3 Minuten über ein Thema, das ihr wichtig ist (gern etwas Alltägliches, kein Weltuntergangsthema).
Die andere hört zu – ohne Kommentare, ohne Unterbrechungen, ohne Augenrollen.
Danach fasst die Zuhörerin / der Zuhörer nur zusammen: „Ich habe gehört, dass du…“
Dann wird gewechselt.
Die meisten Paare staunen, wie intensiv sich diese Mini-Übung anfühlt. Manche merken auch, dass 3 Minuten verdammt lang sein können. Aber genau da liegt die Chance: Endlich mal wirklich gehört werden.
Fazit
Kommunikation ist kein Selbstläufer. Sie ist ein Tanz – manchmal elegant, manchmal stolprig, manchmal mit Absätzen auf den Zehen. Die Frage ist nicht: „Reden wir genug?“ Sondern: „Hören wir uns eigentlich noch zu?“
Bis zum nächsten BlickWechsel-Moment!
Denise Pannicke



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